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Folie 1

„In Deutschland wartet das Paradies auf uns“

Die Olympia Werke und die griechische Arbeitsmigration in Nordwestdeutschland

Die Kulturwissenschaftlerin Maike Wöhler hat in ihrem Forschungsprojekt und der daraus entstandenen Publikation einen besonderen Fokus auf die griechische Arbeitsmigration in Nordwestdeutschland gelegt. Es geht um diejenigen, die selten gehört und noch weniger gesehen wurden. Auf der Basis der profunden Auseinandersetzung mit dem Thema und deren Forschungsergebnisse entstand die Publikation „In Deutschland wartet das Paradies auf uns“ über eine bisher noch nicht vollends erschlossene Ära der Zuwanderung. Man erfährt eine Reihe ganz persönlicher Geschichten über das Weggehen aus der Heimat Griechenland und über den komplexen Prozess des Ankommens, Bleibens und des Verortens.

Perspektiven und Herausforderungen

Arbeitsmigrant*innen waren Pioniere für ein multiethnisches Miteinander und Wegbereiter für eine zukünftige dynamische Integrations- und Einwanderungsgesellschaft in Deutschland. Darum ist es besonders wichtig, in einer Einwanderungsgesellschaft die vielfältige Integrationsarbeit der Zugewanderten zu würdigen und ihnen eine gesellschaftliche Plattform zu geben. Der oftmals indifferente Blick auf die zugewanderten Menschen einer diversen Stadtgesellschaft werde geschärft und erweitert mit dem Ziel, Vorurteilen und Diskriminierungen entgegenzuwirken.

Paul Fostiropoulos, der erste Dolmetscher für ausländische Arbeitskräfte der Olympia Werke Roffhausen:»Nach über 50 Jahren fragt mich jemand über unsere Geschichte. Endlich!«

»Ich habe mehr als die Hälfte meines Lebens hier in Deutschland verbracht. Die norddeutsche Kultur hat mich geprägt – unbedingt. Schauen Sie, ich habe eine deutsche Frau, meine Kinder denken deutsch, denken nicht griechisch. Die sind ziemlich zeitig aus dem Haus, wie das hier üblich ist. Und die sind unter sich groß geworden. Die wurden geprägt durch ihre gemeinsamen Freunde und Freundinnen und Nachbarn oder was weiß ich. Dennoch denke ich, bin ich nicht wie meine Kinder. Die sind anders. Aber ich habe vieles hier angenommen – Gutes. Ich habe wirklich viel Positives hier erlebt und mir zu eigen gemacht. Außerdem liebe ich Deutschland, auch als Kulturland.« Paul Fostiropoulos
Aufschlussreich war, dass sich der Prozess der Auswanderung und Integration auch in der Folgegeneration fortsetzt. Die Kinder der zugewanderten Gastarbeiter*innen erlebten den Verlust und den Schmerz des Weggangs aus Griechenland intensiv mit. Oft mussten an diesem Punkt, dem Thema Weggang aus der Heimat und Verlassen von Familie und Kindern, die Interviews vorübergehend ausgesetzt werden. Der Schmerz und die Trauer lebten sowohl in der Eltern- als auch in der Folgegeneration wieder auf. Vor diesem Hintergrund sind der hohe Stellenwert der Familie und des engen familiären Zusammenhalts in der Diaspora sowie das Aufrechterhalten der kulturellen Identität in der neuen Heimat nachvollziehbar.
Innerhalb der Interviews, die auf der Grundlage der Oral History geführt wurden, entstand ein geschützter Raum, in dem die »ruhenden, schlummernden« Erfahrungen und Erlebnisse oft zum ersten Mal bewusst an die Oberfläche geholt werden konnten. Die biographischen Schilderungen waren begleitet von Tränen, Wut, Trauer, Resignation, aber auch Zuversicht.
Innerhalb der Interviews, die auf der Grundlage der Oral History geführt wurden, entstand ein geschützter Raum, in dem die »ruhenden, schlummernden« Erfahrungen und Erlebnisse oft zum ersten Mal bewusst an die Oberfläche geholt werden konnten. Die biographischen Schilderungen waren begleitet von Tränen, Wut, Trauer, Resignation, aber auch Zuversicht.
Dieses Ausstellung basiert auf einer von der Autorin initiierten Forschungsarbeit, die sich mit der Geschichte der griechischen Zuwanderung am Beispiel der Olympia Werke im Raum Friesland und Wilhelmshaven befasst. Über 60 griechische und deutsche Zeitzeug*innen wurden auf der Grundlage eines halbstandardisierten Interviewleitfadens und narrativ-episodischer Interviews befragt; über 20 Interviews wurden davon transkribiert und nach den Themen „Formen des Ankommens in Deutschland“, „Arbeit und Leben in Friesland“, „kulturelle Identität“, „Spracherwerb“, „Identifizierung des Begriffs ‚Heimat‘“ und „Formen der Integrationsprozesse der Migration“ ausgewertet. Gestützt durch ethnografische Beobachtungen und angewandte Feldforschung wurde versucht, individuelle und übereinstimmende „Migrationsparameter“ zu identifizieren. Trotz eingeschränkter Datenlage und Datenverfügbarkeit gelang es mit den wissenschaftlichen Methoden der Oral History, den weißen Fleck der Geschichte der Zuwanderung im Landkreis Friesland ab Mitte der 1960er Jahre mit Leben zu füllen.
Griechische Einwandererfamilien der ersten Stunde konnten befragt und an den Orten der Begegnung (wie an Treffpunkten am Wilhelmshavener Bahnhof oder nach den Gottesdiensten) aufgesucht werden. So war es möglich, die Hintergründe der (Aus-)Wanderung und die persönlichen Beweggründe der Betroffenen zu verstehen. Im Rahmen der Forschung entwickelten sich Kontakte, auch zu ehemaligen deutschen Kolleg*innen, Nachbar*innen und Freund*innen, die im Miteinander viele, fast schon vergessene Geschichten aus ihrer Vergangenheit zu erzählen hatten. So trugen genau diese Zeitzeug*innen wesentlich dazu bei, dass Feldforschung betrieben und die Geschichten der griechischen Migration historisch aufgearbeitet werden konnten  die beste Voraussetzung dafür, dass sie nie vergessen werden.
de_DEDeutsch
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